Artensterben - Reiseberichte

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Von Silke Sorge

Wir leben in einer Phase des Artensterbens, genau gesagt in der 6. großen Aussterbewelle, die unser Planet erlebt hat. Die Rate des derzeitigen Aussterbens ist - je nach Quelle - um das Hundert- bis Tausendfache einer "gewöhnlichen" Aussterberate erhöht; d.h., wenn normalerweise 1 Art aussterben würde, sind es aktuell 100 bis 1000.
 

Die unterschiedlichen Angaben zur Aussterberate stammen von unterschiedlichen Forschergruppen, die verschiedene Tiergruppen untersucht haben. Der Faktor 100 bezieht sich auf Wirbeltiere - die Lieblinge der meisten Menschen. Doch sollte man bedenken, daß nur 5% der rezenten (derzeit lebenden) Tierarten Wirbeltiere sind, 95% sind Wirbellose. Allein 70% aller Tierarten sind Insekten, und von diesen sind wiederum 75% Käfer.

Betrachtet man alle Tiergruppen und die rasant voranschreitende Naturzerstörung, könnte selbst der Faktor 1000 noch untertrieben sein.
Spannende Informationen dazu bietet folgender englische Artikel:

Doch wer oder was ist das, was da ausstirbt?
Wenn in Deutschland auch viele Tiere (und Pflanzen) immer seltener werden, so scheint es sie doch noch irgendwo zu geben. So manches mal hört man selbst von gebildeten Menschen die Nachfrage, welches denn die Arten sind, die gerade (angeblich) aussterben.
Nun, geben wir dem Aussterben ein Gesicht.


Südliches Breitmaulnashorn
Südliches Breitmaulnashorn  [Ceratotherium simum]
Südafrika 1999
Lange suchen muß ich nicht: Mit meinen Lieblingssäugetieren, den Nashörner, stirbt aktuell gerade nicht nur eine Art, sondern eine ganze Tiergruppe - eine der ältesten Säugetiergruppen überhaupt - direkt vor unseren Augen aus.
Im Frühjahr 2018 starb der letzte männliche Vertreter des Nördlichen Breitmaulnashorns. Aktuell gibt es noch zwei Weibchen, aber da beide (genau wie das letzte Männchen) unfruchtbar sind, sind sie quasi lebende Denkmäler einer bereits verlorenen Spezies.
Zwar gibt es konkrete Pläne, dieses Nashorn mithilfe des nahe verwandten Südlichen Breitmaulnashorns [Ceratotherium simum simum] und der Reproduktionsmedizin wiederzubeleben, doch hat das Vorhaben zwei Haken:
Einerseits ist künstliche Befruchtung bei Breitmaulnashörner keine etablierte Methode, andererseits wird bei Voranschreiten der derzeitigen Wilderei auch das Südliche Breitmaulnashorn - bisher noch der häufigste Vertreter der Gruppe und laut der IUCN bisher lediglich in der Vorwarnstufe - in nicht einmal 20 Jahren ausgerottet sein.
Immerhin gibt es vom Südlichen Breitmaulnashorn eine inzwischen gut züchtende Zoopopulation, doch auch in europäischen Zoos wurden schon Nashörner gewildert.
Das Westliche Spitzmaulnashorn [Diceros bicornis longipes]  wurde 2013 als ausgestorben erklärt, nachdem letztmalig 2003 eine Handvoll Exemplare gesichtet wurden. Alle weiteren Unterarten des Spitzmaulnashornes (je nach Quelle 3-7) sind akut vom Aussterben bedroht, bis auf die Nominatform Diceros bicornis bicornis (Südwestafrikanisches Spitzmaulnashorn), die in Südafrika und Namibia bisher noch relativ geschützt ist vor Wilderei und von der IUCN lediglich als gefährdet eingestuft wird.

Überlebensfähige Populationen in Zoos gibt es nur von der Unterart Diceros bicornis michaeli (Östliches Spitzmaulnashorn). Einzig im Zoo Frankfurt wird die Unterart Diceros bicornis minor (Südliches Spitzmaulnashorn) gezüchtet und teils für Wiederauswilderungsprojekte zur Verfügung gestellt.

Spitzmaulnashorn im Zoo Zürich
Spitzmaulnashorn im Zoo Magdeburg
Spitzmaulnashorn [Diceros bicornis michaeli]
im Zoo Magdeburg
Foto: Silke Sorge
Spitzmaulnashorn [Diceros bicornis michaeli]
im Zoo Zürich
Foto: Silke Sorge
Übrigens will sich der Tierpark Hellabrunn nach Abgabe der (ebenfalls gefährdeten) Panzernashörner an der Erhaltungszucht für Spitzmaulnashörner beteiligen. Die Panzernashörner sind aktuell gut geschützt und noch nicht akut vom Aussterben bedroht.
Zumindest wenn die offiziellen Angaben stimmen, denn zum Sumatra-Nashorn [Dicerorhinus sumatrensis] kursierten jahrzehntelang viel zu positive Bestandsschätzungen. Eine neuerliche Erhebung ergab, daß wahrscheinlich nur noch 30 freilebende Exemplare existieren - verteilt auf 3-4 weit auseinander liegende Gebiete. Damit sind die Populationsgrößen viel zu klein; in Menschenhand züchtet die Art nicht erfolgreich und ist damit wohl nicht mehr zu retten. Nähere Informationen (englisch):
Panzernashörner im Zoo Basel
Panzernashorn im Zoo Basel
Panzernashorn [Rhinoceros unicornis]
im Zoo Basel
Foto: Silke Sorge
Panzernashörner [Rhinoceros unicornis]
im Zoo Basel
Foto: Silke Sorge
Das Java-Nashorn [Rhinoceros sondaicus]: Schon der Name ist falsch, denn diese Art lebte noch vor 150 Jahren in weiten Teilen Südostasiens - einschließlich des Festlandes (wie übrigens das Sumatra-Nashorn auch).
Die Unterart Rhinoceros sondaicus inermis aus Myanmar, Bangladesch und Assam wurde schon vor knapp 100 Jahren absichtlich ausgerottet. Von der Unterart Rhinoceros sondaicus annamiticus (Südchina bis Malaysia) hat weniger als ein Dutzend Individuen ausgerechnet den Vietnamkrieg überlebt - 2010 wurde das letzte Exemplar gewildert.
Heute gibt es nur noch geschätzte 60 Individuen der Unterart Rhinoceros sondaicus sondaicus (einst Sumatra und Java) im Westzipfel von Java (Schutzgebiet seit 1921).
Eine ungünstig plazierte Naturkatastrophe - zum Beispiel ausgelöst durch den benachbarten Vulkan Krakatau - genügt, um der Art endgültig den Garaus zu machen.
In dieser Situation will China ausgerechnet einen der derzeitigen Hauptbedrohungsfaktoren - die Verwendung des Nasenhornes in der traditionellen chinesischen Medizin - legalisieren:
Vom Vaquita oder Kalifornischen Schweinswal [Phocoena sinus] gab es vor etwa einem Jahr noch 30 Exemplare; im Sommer 2018 waren es noch 12. Rein rechnerisch dürfte der letzte Vaquita unseres Planeten gegen Weihnachten im einem Stellnetz der Fischerei im Golf von Kalifornien ertrunken sein.
Und warum?
Weil der Mensch natürlich lieber eine ganze Spezies aussterben läßt, anstatt ein paar seiner Vertreter zu erklären, daß sie sich einen anderen Job suchen (oder ihre Arbeitsweise umstellen) müssen. Frau Merkel hätte das auch nicht anders entschieden:

Vaquita Zeichnung: Uta-Elisa Schmechta
Erst Ende 2017 wurde entdeckt, daß der Tapanuli-Orang-Utan [Pongo tapanuliensis] auf Sumatra eine eigene Art ist. Der Seltenste unserer lebenden Verwandten zu sein, nutzt den Tapanulis allerdings nichts. Wie auch der Borneo- [Pongo pygmaeus ] und der Sumatra-Orang-Utan [Pongo abelii] ist er akut vom Aussterben bedroht, und er wird der erste sein, der endgültig geht, denn sein letzter verbliebener Lebensraum soll in einen Stausee umgewandelt werden:
Und auch die anderen Vertreter der Menschenaffen wird es im Freiland bald nicht mehr geben; sie sterben für Palmöl, Erdöl oder Gold:
Erwischt unter den Menschenaffen (im weiteren Sinne) hat es bereits den Yunnan-Weißhandgibbon.

Der Japanische Fischotter [Lutra nippon] wurde 2012 als ausgestorben erklärt.

Die Weihnachtsinsel-Zwergfledermaus [Pipistrellus murrayi] wurde 2008 zuletzt gesehen.

Der letzte Chinesische Flußdelphin [Lipotes vexillifer], bekannt unter der Bezeichnung Baiji, wurde 2002 gesichtet.

Der Pyrenäensteinbock [Capra pyrenaica pyrenaica] (Spanien, Frankreich) starb 2000 aus.

Prinz-Alfred-Hirsch [Rusa alfredi]
(Tierpark Chemnitz)
Foto: Silke Sorge
Ohne intensive Schutzbemühungen von Verbänden wie der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz gäbe es Arten wie den Prinz-Alfred-Hirsch von den Philippinen vermutlich schon längst nicht mehr (Tierpark Chemnitz).
Dabei sind, wie oben bereits erläutert, die Wirbeltiere keineswegs die am stärksten gefährdete Tiergruppe, und auch unter den Wirbeltieren trifft es bisher die Säugetiere noch nicht am härtesten. Die Aussterbewellen anderer Tiergruppen kursieren mindestens in Naturschutzkreisen schon seit 20 Jahren unter Begriffen wie Amphibienkrise, Schildkrötenkrise und asiatische Singvogelkrise - ohne diese öffentliche Aufmerksamkeit erlangt zu haben wie aktuell das Insektensterben.

Vor über 10 Jahren hat Jörg Adler, damals noch Direktor vom Allwetterzoo Münster, dem Amphibiensterben, ausgelöst durch Habitatzerstörungen und einen aggressiven Pilz (Chytridiomykose), ein Gesicht gegeben. Die Präsentation hat er mir dankenswerterweise zur Verfügung gestellt (Auszug, 10 MB, bitte am Computer Ton einschalten):

Shangcheng-Winkelzahnmolch
[
Pachyhynobius shangchengensis] (Tierpark Chemnitz)
Foto: Silke Sorge
50% aller Amphibien sind bereits ausgestorben oder stark gefährdet, wie der Shangcheng-Winkelzahnmolch (Tierpark Chemnitz).
Eine ähnliche Liste ließe sich für Schildkröten ergänzen. Am bekanntesten ist wohl der Fall von "Lonesome George", dem letzten Vertreter der Pinta-Riesenschildkröte [Chelonoidis nigra / Chelonoidis abingdonii] der 2012 gestorben ist.
Vermutlich ist mittlerweile beinahe jede Schildkrötenart bedroht; hauptsächlich wegen Übernutzung der Bestände für den chinesisches Lebensmittelmarkt.

Inzwischen gibt es für Frösche und die bedrohtesten der bedrohten Schildkröten Erhaltungszuchtprogramme, um wenigstens einige in Menschenhand zu bewahren, bis die Bedingungen im Freiland wieder besser sind.
An dieser Stelle der Hinweis, bitte nicht auf Forderungen von Tierrechtsorganisationen (wie z.B. Peta) hereinzufallen, die Haltung von Wildtieren in Privathand zu verbieten. Amphibien, Reptilien und viele Vögel sind Wildtiere, deren Erhaltungszuchten ohne private Züchter nicht zu realisieren wäre!

Haselhuhn Zeichnung: Uta-Elisa Schmechta
Alles zu weit weg, Beispiele vor der Haustür?
Obwohl das gar nicht so einfach ist, da die meisten größeren mitteleuropäischen Arten schon vor Jahrhunderten ausgerottet wurden (Auerochse, Waldtarpan, Höhlenlöwe, Riesenhirsch usw.), gibt es sie tatsächlich.

Das Westliche Haselhuhn Tetrastes bonasia rhenana stellt die westlichsten Vorkommen des Haselhuhns außerhalb der alpinen Bereiche. Das Verschwinden von Haselhühnern fällt den meisten gar nicht auf, da die scheuen Vögel in der Bodendeckung eh nicht bemerkt werden.

Nur Spezialisten können diese Art nachweisen - und das können sie für die Unterart rhenana in Deutschland schon seit über 10 Jahren nicht mehr. Trotzdem sehen deutsche Behörden keinen Handlungsbedarf.


Daraufhin haben die Haselhuhn-Spezialisten ihre Suche auf Nachbarländer (Belgien, Luxemburg, Frankreich) ausgedehnt - und fanden 2017 gerade mal 2 Brutpaare! Ob es 2018 noch erfolgreiche Bruten gegeben hat oder das Westliche Haselhuhn im vergangenen Jahr ausgestorben ist, ist derzeit noch nicht bekannt.

Das Westliche Haselhuhn ist übrigens nicht zu verwechseln mit den häufigeren Unterart im Alpenraum, Tetrastes bonasia styriaca, oder der ebenfalls seltenen in Mitteldeutschland, Tetrastes bonasia rupestris: Im Gegensatz zu diesen hat es u.a. einen braunen (statt grauen) Rücken und mehr Rot an den Flanken.

Der Verlust des Westlichen Haselhuhns ließe sich nicht durch andere Unterarten kompensieren (Wiederansiedlung einer anderen Unterart), da das Westliche Haselhuhn als einziges Haselhuhn reine Laubwälder mit hoher Bodendeckung bewohnt, andere Unterarten sind an Laub-Mischwälder bzw. nadelholzreiche Wälder angepaßt.
Jahrhundertelang kam dem Westlichen Haselhuhn die Niederwaldwirtschaft entgegen. Mit der Veränderung der Waldbewirtschaftung (Umwandlung in Fichtenforste) ist nun auch das Westliche Haselhuhn verschwunden.

Ein weiteres Beispiel ist die Waldsaatgans [Anser fabalis fabalis], die bisher noch mit der Tundrasaatgans zu einer Art zusammengefaßt wird. Dies ist jedoch nicht berechtigt, da die Tundrasaatgans [Anser fabalis rossicus] näher mit der Kurzschnabelgans [Anser brachyrhynchus ] verwandt sind als mit der Waldsaatgans.
Die Waldsaatgans ist noch nicht akut von der Ausrottung bedroht, bewegt sich aber mit Riesenschritten darauf zu: der Bestand halbiert sich alle 10 Jahre. Hauptüberwinterungsgebiet ist die ostdeutsche Ostseeküste (knapp 70 % des Weltbestandes), wo die Waldsaatgans ungehindert geschossen werden darf.

Der Hauptfaktor für das Aussterben von Tieren und Pflanzen oder ihre Bedrohungssituation ist (bisher) keinesfalls der Klimawandel, sondern immer noch die Zerstörung der Lebensräume. Und es wird immer schlimmer, denn immer mehr Menschen wollen immer mehr konsumieren.
Zum Beispiel Schokolade. Dafür holzen die Elfenbeinküste und Ghana die letzten verbliebenen (eigentlich geschützten) Regenwälder ab:

2017 war das bis dahin tödlichste Jahr auch für Umweltschützer (die Statistik für 2018 ist mir noch nicht bekannt). Jede Woche wurden 4 Personen getötet, die sich gegen die Zerstörung ihrer Heimat für Konsumgüter erhoben hatten; allein in ein Fünftel der Fälle ging es um Palmöl. Weitere Informationen bietet dieser (englische) Artikel:

Wer noch nicht gegen die Beimischung von Palmöl zu Sprit unterschrieben hat, kann dies hier tun. Für 2030 hat die EU die Beimischung von Palmöl zu Sprit verboten, doch bis dahin sind auch die letzten Regenwälder längst zerstört - das muß viel schneller gehen:

Gerade auf Borneo darf nicht noch mehr Regenwald für Palmölplantagen fallen:
Das vergangene Jahr hat endlich auch uns in Deutschland einen Vorgeschmack geliefert, was Klimawandel wirklich bedeutet. Wälder sind abgebrannt oder verdurstet, Ernten verdorrt. Geht es so weiter, werden wir unsere Ernährung umstellen müssen. Weichweizen, Gerste, Hafer und auch Kartoffeln werden dann bei uns nicht mehr gedeihen.
Nicht auszumalen, wie es den Arten ergeht, wenn sich die derzeitigen Bedingungen auch noch durch die Klimaerwärmung weiter verschärfen.
Text und wissentschaftliche Recherche: Silke Sorge
Gestaltung: Lutz Schmechta
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